Donnerstag, 22. September 2016

ADHS in Bezug auf therapeutisches Reiten


ADHS hält immer mehr Einzug in unsere Gesellschaft. Vor allem Kinder wissen nicht mit ihrer Unruhe umzugehen und treffen häufig auf überforderte Eltern und Erzieher. Dies hat nicht selten die Folge, dass Kinder mit Psychopharmaka „ruhig gestellt“ werden oder ihnen einfach Vernachlässigung und Ablehnung bevorsteht. Oftmals werden Kinder mit ADHS falsch gefördert. Sie fallen in der Schule nur als „Störenfriede“ auf und bekommen meist nicht die gleiche Anerkennung wie andere Kinder. Dies kann dazu führen, dass diese Kinder schon früh aggressives Verhalten zeigen, auf Grund ihrer Hilflosigkeit.


Ich möchte hier versuchen einen Weg aufzeigen, wie diesen Kinder geholfen werden kann und das vielleicht sogar ohne Verabreichung von Psychopharmaka, die leider viel zu oft verabreicht werden. Vorne weg muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass therapeutisches Reiten auch nur eine Therapie, wie jede andere Therapie ist und somit leider nicht jedem nützt. Erschwerend kommt noch dazu, dass keine Angst vor Pferden und auch keine Ablehnung vorhanden sein darf. Diese Therapieform soll auf Spaß aufbauen und wird von den meisten Patienten auch nicht als Therapie bezeichnet.


Eignet sich Therapeutisches Reiten als eine Therapie für Kinder im Elementarbereich mit der Erkrankung ADHS?



Was ist ADHS?


Wir alle haben im Laufe unseres Berufslebens den Begriff ADHS gehört. Trotz alledem möchte ich zunächst noch einmal kurz auf das Krankheitsbild eingehen.


ADHS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätssyndrom. ADHS ist eine Psychische Störung. Die Weltgesundheitsorganisation setzte das Wort „Störung“ mit „Krankheit“ gleich. Man versteht unter Psychischer Störung erhebliche, krankheitswertige Abweichungen vom Erleben oder Verhalten; konkret betroffen sind die Bereiche des Denkens, Fühlens und Handelns. Gekennzeichnet ist ADHS durch eine Störung der Aufmerksamkeit, eine Impulsivität und eine Hyperaktivität. Konkret bedeutet dies, dass sich Erkrankte nicht lange auf eine Sache konzentrieren können, Dinge tun, über die sie nicht nachdenken, zu überzogenem Verhalten neigen und meist sehr unruhig und „hippelig“ sind. Sie können nicht lange stillhalten und müssen permanent in Bewegung sein. Dies äußert sich durch rumlaufen, regelmäßiges verändern der Sitz- oder Stehposition und das „Zappeln“ mit Füßen und Händen. Das Lesen von Texten fällt teilweise schwer, da sie sich nicht mehr an den Anfang des Textes erinnern können und in schlimmen Fällen sogar während des Lesens eines Satzes, dessen Inhalt sofort wieder vergessen, da sie ihn gar nicht richtig erfassen können. Es fällt schwer, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Man kann es als ein großes Chaos im Kopf des Betroffenen beschreiben. Es fällt schwer, die vielen Reize von außen zu sortieren, zu filtern und zu verarbeiten. Dies führt zu einer Reizüberflutung. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Problematik der ADHS - Erkrankung immer mehr zunimmt. In der heutigen Gesellschaft ist man immer mehr Reizen ausgesetzt. Das Leben wird immer hektischer und schneller. Zusätzlich fehlen immer mehr Strukturen. Die Kombination aus diesen Faktoren macht diese Krankheit zu einem immer größeren Problem.



Als Ursache für ADHS wurde früher ein rein soziales und pädagogisches Fehlverhalten angenommen. Man nahm an, dass ADHS durch falsche Erziehung, Vernachlässigung, Traumata und das soziale Umfeld entstehen würde. Dies ist mittlerweile widerlegt worden. Heutzutage geht man von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus.
Es wird angenommen, dass eine genetische Vorbelastung immer ein Auslöser ist. Dazu kommt natürlich noch das sozial Umfeld. Auch Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen, und Schadstoffe sowie Erkrankungen oder Verletzungen des Zentralen Nervensystems gelten als Risikofaktoren. Während der Schwangerschaft stattfindende Belastungen mit Alkohol sowie Nikotin gelten als weitere wichtige Risikofaktoren. Dies allein bedeutet aber nicht, das ADHS zu einem Problem wird. Es gibt verschieden starke Ausprägungen, von ganz leicht und kaum bemerkbar bis zu sehr stark und einschränkend in der Lebensqualität. Nicht alle Formen von ADHS müssen behandelt werden

Die Diagnostik von ADHS ist nicht ganz unproblematisch. Es gibt verschiedene Indizien für ADHS, die aber alleine noch nicht unbedingt ADHS bedeuten, da sie auch andere Erkrankungen wie Borderline oder Schizophrenie charakterisieren. Diagnostiziert wird ADHS immer durch einen Psychiater oder Psychologen, der mit der Materie vertraut ist. Hierbei werden Konzentrationstests, Verhaltensbeobachtungen und eine neurologische Untersuchung als Grundlage genommen. Die Symptome müssen mindestens sechs Monate vorliegen.
Die Behandlung sollte immer aus mehreren Therapieformen bestehen. Meist werden Verhaltenstherapien, Gestaltungstherapien und Bewegungstherapien empfohlen. In schweren Fällen ist auch eine Therapie über Psychopharmaka von Nöten. Das wohl bekannteste Medikament in diesem Bereich ist Ritalin, das in seiner Wirkungsweise dem Kokain sehr ähnelt. Ritalin hilft ADHS erkrankten Menschen dabei ihre Wahrnehmung besser zu steuern. Bei „gesunden“ Menschen hat es eine aufputschende Wirkung.
Da es ein Psychopharmaka ist, darf es nur unter ärztlicher Beobachtung eingenommen werden. Ein plötzliches Absetzten von Ritalin kann zu depressiven Schüben, gesteigerter Aggression und verstärkter Hyperaktivität führen.

Kinder mit ADHS in der Kita

Im Kindergarten fallen Kinder mit ADHS durch trotziges und störendes Verhalten auf. Sie haben große Schwierigkeiten sich an Regeln zu halten und sich in eine Gemeinschaft zu integrieren. Bei Gruppenspielen kann sich das Kind nicht konstruktiv beteiligen und stört die anderen Kinder somit. Es ist mit diesen Situationen einfach vollkommen überfordert. Die Frustrationsgrenze ist extrem niedrig.
ADHS Kinder versuchen ihre Umgebung immer zu dominieren und stehen sehr gerne im Mittelpunkt. Auf der anderen Seite ziehen sie sich aber auch phasenweise komplett alleine in eine Ecke zurück. Das alleinige Spielen gestaltet sich auch schwierig, das es dem Kind schwerfällt, sich sinnvoll zu beschäftigen, es lässt sich schnell ablenken und klagt häufig über Langeweile. ADHS Kinder spielen sehr ausgelassen, aber wechseln sehr schnell ihr Spiel. Sie haben ein herabgesetztes Gefahrenbewusstsein, was eine erhöhte Beaufsichtigung erfordert.

Entwicklung von Kindern mit ADHS

In ihrer Entwicklung kann es zu Verzögerungen kommen. So lernt das Kind manchmal später Laufen und ist in seiner Selbstständigkeit verzögert. Es können auch Verhaltensauffälligkeiten beim Essen auftreten. So gibt es Kinder, die ausgesprochen wählerisch sind, während andere ungezügelt alles in sich „hinein stopfen“ und kein Sättigungsgefühl wahrnehmen.
Im Kindesalter kommt es häufig noch zu Begleiterkrankungen wie eine Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie, Zwangshandlungen und ein erhöhtes Suchtpotenzial.

Kinder mit ADHS fallen meist durch eine starke Unruhe und ein aggressives Verhalten auf. Durch ihr impulsives Verhalten und ihre permanente Unruhe ecken sie häufig bei anderen an. Es fällt ihnen schwer sich adäquat zu verhalten. Sie können ihre Problematik nicht klar formulieren und viele Menschen empfinden Kinder mit ADHS als anstrengend und sind durch sie schnell überfordert, da machen Erzieher und Eltern keine Ausnahme. Dadurch erleben diese Kinder immer mehr Ablehnung, was letztendlich zu einem aggressiven Verhalten auf Grund von Hilflosigkeit führt. In schlimmen Fällen stehen diese Kinder durch Reizüberflutung so unter Strom, dass man sie nur noch durch festhalten beruhigen kann.
Es wird davon ausgegangen das bis zu 10% der Kinder an ADHS leiden, allerdings meist nicht diagnostiziert.

Therapeutisches Reiten

Das Therapeutische Reiten umfasst drei Bereiche, die Hippotherapie, das Heilpädagogische Reiten und der Behindertenreitsport. Ich werde hier nur den relevanten Bereich näher erläutern. Vorab möchte ich klarstellen, dass immer Pferde mit einer speziellen Ausbildung benötigt werden und auch die Umgebung, wie Rampen zum Aufsteigen, rollstuhlgerechte Wege und so weiter, angepasst sein müssen.

Die Hippotherapie ist eine physiotherapeutische Behandlungsmethode. Die Krankheitsbilder sind überwiegend neurologisch und orthopädisch bedingt, wie Spastiken, Lähmungen und Schwerstbehinderungen. Das Alter spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die Therapie ist ärztlich verordnet und wird durch diesen auch überwacht. Durchgeführt wird die Therapie durch einen Physiotherapeuten mit Hippotherapie – Lizenz.

Der Behindertenreitsport wendet sich an Menschen mit Körperbehinderung und/oder Sinnesbeeinträchtigungen. So ist es möglich ohne Arme zu reiten oder auch blind. Es soll eine Möglichkeit zur sportlichen Betätigung bieten und wird auch bis in den Leistungssport hinein betrieben. Hierbei steht die Freizeitgestaltung im Vordergrund, nicht der therapeutische Effekt. Es wird eine spezielle Ausbildung als Behindertenreitsportlehrer benötigt.

Das Heilpädagogische Reiten bezieht sich auf pädagogische, psychologische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen und Störungen. Dabei steht nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund, das heißt vor allem eine günstige Beeinflussung von Motorik, Wahrnehmung, Lernen, Befinden und Verhalten.
"Ein besonderer Reiz des Reitens liegt im Kontakt und Umgang mit dem Lebewesen Pferd, bei der Betreuung und Pflege des Pferdes wird diese Beziehung erweitert und vertieft. Als individuelles Lebewesen kann das Pferd zu einer echten "Bezugsperson" werden; es reagiert und antwortet sehr fein auf Gesten und Ansprachen. So kann sich eine ganz eigene, unbelastete Kommunikation aufbauen, über die auch der Kontakt zum Menschen und zur Umwelt neu oder erneut gefunden werden kann. Das wird im Heilpädagogischen Reiten als eine der speziellen erzieherischen Möglichkeiten und Maßnahmen genutzt. Im vielgestaltigen sozialen Gefüge Pferd-Reiter, Reitschule-Reitlehrer, Reiter-andere Reiter und Pferde ... bieten sich neue Möglichkeiten zur sozialen Integration, zu gegenseitigem Verständnis aus gemeinsamem Tun und Interesse." (Ch. Heipertz-Hengst, "Reitsport für Behinderte", Lübeck 1980, S.19)

Für wen eignet sich die Therapie?

Die Zielgruppe umfasst Menschen mit den verschiedensten Behinderungen, Entwicklungsdefiziten, Wahrnehmungsbeeinträchtigungen und / oder Verhaltensauffälligkeiten, zum Beispiel:
  • Lern- und geistige Behinderung
  • Verhaltensauffälligkeiten, z.B. Ängste, Unsicherheit, Kontaktstörungen, mangelnde Selbstbehauptung, mangelndes Selbstvertrauen, Konzentrationsschwäche, übergroße Egozentrik, Aggressivität, mangelnde soziale Einordnung, Hyperaktivität
  • Störungen in der Bewegung und Wahrnehmung aufgrund verschiedener Verursachungsmomente (minimale cerebrale Dysfunktion/mcD, psychoorganisches Syndrom/POS, sensorische Integrationsstörung)
  • Autismus und autistische Verhaltensweisen
  • neurotische und psychotische Erkrankungen
  • Sprachstörungen und –behinderungen
  • psychosomatische Erkrankungen
  • angeborene oder erworbene Sinnes- und Wahrnehmungsbeeinträchtigungen
  • Haltungsschwächen und –schäden
Die Methodik beim Therapeutischen Reiten basiert auf Übungen zur sensorischen Integration, sowie die gezielte Vermittlung von Normen, Werten und Handlungskompetenzen (zum Beispiel Verantwortungsgefühl, Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen), als auch auf dem sozialen Lernen gegenüber dem Partner Pferd und gegebenenfalls den anderen Mitgliedern der Reitgruppe. Im Umgang mit dem Pferd oder beim Reiten wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, emotional, geistig und sozial. Durch den ganzheitlichen Charakter des Heilpädagogischen Reitens und den hohen Aufforderungscharakter des Pferdes ist diese Therapieform auch speziell bei therapieunwilligen oder -müden Menschen (neu) motivierend.

Zielsetzung der Therapie

Die individuelle Zielsetzung richtet sich immer nach dem Krankheitsbild oder der Störung.

Im sozialen Bereich soll die Gruppenfähigkeit, die Kooperations-bereitschaft, der Umgang mit Aggressionen, die Anhebung von Toleranzschwellen und das Erlernen von Verhaltensalternativen angeregt und gefördert werden.

Im sensomotorischen Bereich wird das Gleichgewicht, die Raum-Lage-Orientierung, die Entwicklung von Körperbewusstsein, die Verbesserung der Hand- Auge- und Gesamtkörperkoordination und das allgemeine „Entkrampfen“ des Körpers und der Seele gefördert. Es bezieht sich auf alle Wahrnehmungsbereiche (taktile, vestibuläre, kinästhetische, auditive und visuelle) und spricht diese ganzheitlich an.

Im kognitiven Bereich wird die Sprache und die Sprachbereitschaft, die Lern- und Leistungsbereitschaft, sowie der Aufbau und die Verbesserung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens gefördert.
Das Medium Pferd
Die Therapie findet immer über das Medium Pferd statt. Pferde sind Lebewesen mit Bedürfnissen und Grenzen. Sie spiegeln den Menschen in einer faszinierenden Weise wieder. Ist der Patient unruhig oder aggressiv, wird das Pferd diese Stimmung übernehmen. Das Pferd ist nicht nachtragend und gibt dem Patienten immer wieder eine neue Chance. Es strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus, die sich auf dem Menschen überträgt. Es ist in seiner Körpersprache klar und leicht verständlich. Es signalisiert deutlich, wenn ihm etwas nicht gefällt oder wenn ihm etwas gefällt. Es ändert dabei nicht seine Meinung, was es einschätzbar und kontrollierbar macht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Größe des Pferdes. Vor allem Menschen mit einem negativen Selbstwertgefühl sind immer wieder überrascht darüber, dass sie ein so großes Tier „beherrschen“ können.
Die Patienten lernen klare Ansagen zu machen, da das Pferd auf diese mit dem gewünschten Verhalten reagieren, zum Beispiel Hufe geben. In diesem Falle lässt das Pferd sich auf den Menschen ein und schenkt ihm Vertrauen, denn es steht dabei ja auf nur drei Beinen, was seinem natürlichen Verhalten widerspricht. Dadurch, dass das Pferd ein Lebewesen mit Bedürfnissen ist, übt der Therapeut weniger Druck aus, als in anderen Therapieformen, denn nicht er will etwas, sondern das Pferd benötigt etwas. Zum Beispiel muss das Pferd vor dem Reiten geputzt werden. Nicht, weil der Therapeut das will, sondern weil es sonst dem Pferd schaden würde.
Der nächste Punkt ist das „Getragen werden vom Pferd“. Wir sind es von unserer Entwicklung her gewohnt, dass wird von unserer Mutter getragen werden. Wenn Kinder auf den Arm genommen werden, entspannen sie sich und fühlen sich geborgen. Dieser Effekt wird auch beim Heilpädagogischen Reiten ausgenutzt, das Pferd spricht diese Erinnerungen an.
Dies funktioniert natürlich nicht mit allen Pferden. Pferde, die als „Therapeuten“ arbeiten haben einen sehr ruhigen und ausgeglichenen Charakter. Sie unterlaufen einer speziellen Ausbildung von circa zwei Jahren. Das Tier ist an sich ein Flucht- und Herdentier. Für diese Arbeit aber müssen sie absolut verlässlich und einschätzbar sein. Sie müssen auf das kleinste Zeichen des Therapeuten hin reagieren, denn dieser kann die Beziehung zwischen Pferd und Patient von außen beeinflussen. Wenn ein Patient noch nicht klar in seinen Aussagen dem Pferd gegenüber ist, so kann der Therapeut von außen unbemerkt trotzdem das gewünschte Verhalten herbeiführen.
Jedes Pferd hat einen ganz eigenen Charakter, es gibt ruhige und sehr devote Pferde und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch „zappelige“ Pferde mit einem sehr stark ausgebildeten Charakter. Die Entscheidung, welches Pferd für welchen Patienten geeignet ist, ist eine sehr wichtige Grundlage. Unsichere Patienten werden eher die ruhigen Pferde bekommen, Patienten mit einer starken Selbstüberschätzung werden eher mit charakterstarken Pferden konfrontiert.

Arbeiten als Reittherapeut

Um als Reittherapeut im Heilpädagogischen Bereich arbeiten zu können benötigt man eine soziale Grundausbildung, wie Sozialpädagoge, Erzieher, Heilpädagoge, Psychologe oder auch Lehrer. Ebenfalls benötigt wird ein Trainerschein im Reiten und eine Zusatzausbildung als Reittherapeut. Die Reittherapie ist eine anerkannte Therapieform, die bisher allerdings wenig Unterstützung bei der Krankenkasse findet.

Zurück zur eigentlichen Fragestellung

Eignet sich therapeutisches Reiten als eine Therapie für Kinder im Elementarbereich mit der Erkrankung ADHS?“

Im Bereich des Heilpädagogischen Reitens wird besonderer Wert auf die Weiterentwicklung der sozialen Fähigkeiten gelegt, diese fehlen Kindern mit ADHS häufig. Über das Medium Pferd lernen sie spielerisch sich in Gruppen einzugliedern und sich den Wünschen des Pferdes unterzuordnen, was ihnen im Allgemeinen schwerfällt. Sie bekommen immer wieder eine Reflexion ihres Verhaltens. Auf ein bestimmtes Verhalten folgt immer dieselbe Reaktion. Das Pferd ist im Gegensatz zu vielen Menschen nicht nachtragend, dass heißt die Kinder erfahren keine Ablehnung, sondern werden immer wieder mit „offenen Armen“ empfangen und akzeptiert.

Die Pflege eines Tieres setzt gewisse Regeln und eine Regelmäßigkeit voraus. Dies erleichtert es dem Kind, sich in der Situation zu Recht zu finden, da die Therapiestunde immer in dem gleichen Schema abläuft. Das Kind kann sich Stück für Stück mehr Kompetenzbereiche erarbeiten, wenn es sich dafür bereit fühlt. Es lernt ein Selbstvertrauen und ein Selbstwertgefühl. Es schafft etwas und bekommt dafür eine positive Resonanz. Es entsteht eine Vertrauensbasis zwischen dem Pferd und dem Kind. Das Pferd folgt dem Kind, wenn dies es will, aber sollte es überfordert sein und Teil der Verantwortung wieder abgeben wollen, kann es dies ohne Probleme tun. Das Pferd fungiert als verlässlicher Partner, der das Kind nicht enttäuscht.
Das Kind muss neben dem Pferd bestimmte Verhaltensweisen einhalten. So erschreckt sich das Pferd vor lautem Geschrei und wildem herumrennen. Das Kind mag sein Partner Pferd und will ihm keinen Schaden zufügen, somit versucht es schädigendes Verhalten zu unterbinden. Durch die enge Begleitung der Therapeutin kann diese in Überforderungssituationen eingreifen und dem Kind jederzeit die Möglichkeit zu einer Pause bieten.
Das Kind kann immer selber entscheiden, was es machen möchte. Fühlt es sich müde, kann es sich einfach nur von dem Pferd tragen lassen, ist es unruhig, können viele Übungen auf dem Pferd absolviert werden. Wenn das Kind dem Pferd aber einfach nur etwas Gutes tun will, kann es dieses auch nur ausgiebig putzen und mit ihm spazieren gehen.
Für viele Kinder ist das keine Therapie, sondern ein Hobby. Der Umgang mit dem Tier macht ihnen Spaß, sie haben die Möglichkeit sich körperlich auszupowern, denn ein komplettes Pferd zu putzen, kann ganz schön anstrengend sein. Die immer wiederkehrenden Strukturen vereinfachen es dem Kind das Chaos in seinem Kopf besser zu kontrollieren. Es wird stark darauf geachtet, dass das Kind nicht zu vielen Reizen ausgesetzt ist. Es herrscht ein überschaubarer Betrieb auf dem Hof, es ist kein Lärm und keine Hektik vorhanden. Die Farben der Natur wirken eher beruhigend als aufputschend.

Natürlich ist Therapeutisches Reiten nicht mehr als eine Therapie, trotzdem ist sie oftmals die letzte erfolgreiche Möglichkeit für Patienten, denen andere Therapien bisher nicht geholfen haben. Es ist mehr Spaß als Therapie. Allerdings ist eine Grundvoraussetzung das Akzeptieren des Pferdes. Es dürfen keine Angst oder Ablehnung dem Pferd gegenüber vorliegen. Eine große Pferdeliebe ist aber auch keine Voraussetzung. Die Therapie bedarf einer Regelmäßigkeit, sowohl zeitlich wie auch Personen- und Pferdegebunden. Sie baut auf Vertrauen und Regeln auf. Wie jede andere Therapie kann diese auch zwei Jahre stattfinden und dann erst mal unterbrochen werden.

Ich persönlich bin überzeugt von dem Nutzen des Therapeutischen Reitens. Pferde sind sehr sanftmütige, liebvolle Wesen und haben ein ungemein gutes Gespür für die jeweilige Stimmung des Patienten und stellen sich darauf ein. Auf der anderen Seite sind es aber keine Gegenstände, sondern Lebewesen, die auch ihre ganz eigenen persönlichen „Macken“ haben.
Leider ist diese Form der Therapie sehr teuer und wird von der Krankenkasse nur in seltenen Fällen übernommen, was leider bedeutet, dass nicht jeder sie wahrnehmen kann.
Wichtig wäre noch zu erwähnen, dass die Kinder ganzheitlich gefördert werden. Unabhängig ihrer Erkrankung werden die Motorik, der Tonus, die Geschicklichkeit und die kognitive Entwicklung stark gefördert.



Heipertz-Hengst, Reitsport für Behinderte, Lübeck 1980




Neuhaus, Cordula: Das hyperaktive Kind und seine Probleme, Urania-Ravensburger Verlag, 1999, 5. Auflage

M.Döpfner, G. Lehmkuhl & H.-C. Steinhausen (2006): Kinder-Diagnostik-System (KIDS), Band 1: Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Göttingen: Hohgrefe

Psychische Störungen in Kindheit und Jugend – Symptome – Psychodynamik – Fallbeispiele – psychoanalytische Therapie. Kohlhammer Stuttgart 2004

Inge-Marga Pietrzak: Kinder mit Pferden stark machen - Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren. Cadmos, Lüneburg 2001

Marianne Gäng: Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren. Ernst Reinhardt, München 1994

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