ADHS hält immer mehr Einzug in unsere
Gesellschaft. Vor allem Kinder wissen nicht mit ihrer Unruhe umzugehen und
treffen häufig auf überforderte Eltern und Erzieher. Dies hat nicht selten die
Folge, dass Kinder mit Psychopharmaka „ruhig gestellt“ werden oder ihnen
einfach Vernachlässigung und Ablehnung bevorsteht. Oftmals werden Kinder mit
ADHS falsch gefördert. Sie fallen in der Schule nur als „Störenfriede“ auf und
bekommen meist nicht die gleiche Anerkennung wie andere Kinder. Dies kann dazu
führen, dass diese Kinder schon früh aggressives Verhalten zeigen, auf Grund
ihrer Hilflosigkeit.
Ich möchte hier versuchen einen Weg
aufzeigen, wie diesen Kinder geholfen werden kann und das vielleicht sogar ohne
Verabreichung von Psychopharmaka, die leider viel zu oft verabreicht werden.
Vorne weg muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass therapeutisches Reiten
auch nur eine Therapie, wie jede andere Therapie ist und somit leider nicht
jedem nützt. Erschwerend kommt noch dazu, dass keine Angst vor Pferden und auch
keine Ablehnung vorhanden sein darf. Diese Therapieform soll auf Spaß aufbauen
und wird von den meisten Patienten auch nicht als Therapie bezeichnet.
„Eignet sich Therapeutisches
Reiten als eine Therapie für Kinder im Elementarbereich mit der
Erkrankung ADHS?“
Was ist ADHS?
ADHS bedeutet Aufmerksamkeitsdefizit /
Hyperaktivitätssyndrom. ADHS ist eine Psychische Störung. Die Weltgesundheitsorganisation
setzte das Wort „Störung“ mit „Krankheit“ gleich. Man versteht unter
Psychischer Störung erhebliche, krankheitswertige Abweichungen vom Erleben oder
Verhalten; konkret betroffen sind die Bereiche des Denkens, Fühlens und Handelns.
Gekennzeichnet ist ADHS durch eine Störung der Aufmerksamkeit, eine
Impulsivität und eine Hyperaktivität. Konkret bedeutet dies, dass sich
Erkrankte nicht lange auf eine Sache konzentrieren können, Dinge tun, über die
sie nicht nachdenken, zu überzogenem Verhalten neigen und meist sehr unruhig
und „hippelig“ sind. Sie können nicht lange stillhalten und müssen permanent in
Bewegung sein. Dies äußert sich durch rumlaufen, regelmäßiges verändern der
Sitz- oder Stehposition und das „Zappeln“ mit Füßen und Händen. Das Lesen von
Texten fällt teilweise schwer, da sie sich nicht mehr an den Anfang des Textes
erinnern können und in schlimmen Fällen sogar während des Lesens eines Satzes,
dessen Inhalt sofort wieder vergessen, da sie ihn gar nicht richtig erfassen
können. Es fällt schwer, die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt zu
fokussieren. Man kann es als ein großes Chaos im Kopf des Betroffenen
beschreiben. Es fällt schwer, die vielen Reize von außen zu sortieren, zu
filtern und zu verarbeiten. Dies führt zu einer Reizüberflutung. Das ist auch
ein Grund dafür, dass die Problematik der ADHS - Erkrankung immer mehr zunimmt.
In der heutigen Gesellschaft ist man immer mehr Reizen ausgesetzt. Das Leben
wird immer hektischer und schneller. Zusätzlich fehlen immer mehr Strukturen.
Die Kombination aus diesen Faktoren macht diese Krankheit zu einem immer
größeren Problem.
Als Ursache für ADHS wurde früher ein
rein soziales und pädagogisches Fehlverhalten angenommen. Man nahm an, dass
ADHS durch falsche Erziehung, Vernachlässigung, Traumata und das soziale Umfeld
entstehen würde. Dies ist mittlerweile widerlegt worden. Heutzutage geht man
von einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren aus.
Es wird angenommen, dass eine
genetische Vorbelastung immer ein Auslöser ist. Dazu kommt natürlich noch das
sozial Umfeld. Auch Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, ein
erniedrigtes Geburtsgewicht, Infektionen, und Schadstoffe sowie Erkrankungen
oder Verletzungen des Zentralen Nervensystems gelten als Risikofaktoren.
Während der Schwangerschaft stattfindende Belastungen mit Alkohol sowie Nikotin
gelten als weitere wichtige Risikofaktoren. Dies allein bedeutet aber nicht,
das ADHS zu einem Problem wird. Es gibt verschieden starke Ausprägungen, von
ganz leicht und kaum bemerkbar bis zu sehr stark und einschränkend in der
Lebensqualität. Nicht alle Formen von ADHS müssen behandelt werden
Die Diagnostik von ADHS ist nicht ganz
unproblematisch. Es gibt verschiedene Indizien für ADHS, die aber alleine noch
nicht unbedingt ADHS bedeuten, da sie auch andere Erkrankungen wie Borderline
oder Schizophrenie charakterisieren. Diagnostiziert wird ADHS immer durch einen
Psychiater oder Psychologen, der mit der Materie vertraut ist. Hierbei werden
Konzentrationstests, Verhaltensbeobachtungen und eine neurologische
Untersuchung als Grundlage genommen. Die Symptome müssen mindestens sechs
Monate vorliegen.
Die Behandlung sollte immer aus
mehreren Therapieformen bestehen. Meist werden Verhaltenstherapien,
Gestaltungstherapien und Bewegungstherapien empfohlen. In schweren Fällen ist
auch eine Therapie über Psychopharmaka von Nöten. Das wohl bekannteste
Medikament in diesem Bereich ist Ritalin, das in seiner Wirkungsweise dem
Kokain sehr ähnelt. Ritalin hilft ADHS erkrankten Menschen dabei ihre
Wahrnehmung besser zu steuern. Bei „gesunden“ Menschen hat es eine
aufputschende Wirkung.
Da es ein Psychopharmaka ist, darf es
nur unter ärztlicher Beobachtung eingenommen werden. Ein plötzliches Absetzten
von Ritalin kann zu depressiven Schüben, gesteigerter Aggression und
verstärkter Hyperaktivität führen.
Kinder mit ADHS in
der Kita
Im Kindergarten fallen Kinder mit ADHS
durch trotziges und störendes Verhalten auf. Sie haben große Schwierigkeiten
sich an Regeln zu halten und sich in eine Gemeinschaft zu integrieren. Bei
Gruppenspielen kann sich das Kind nicht konstruktiv beteiligen und stört die
anderen Kinder somit. Es ist mit diesen Situationen einfach vollkommen
überfordert. Die Frustrationsgrenze ist extrem niedrig.
ADHS Kinder versuchen ihre Umgebung
immer zu dominieren und stehen sehr gerne im Mittelpunkt. Auf der anderen Seite
ziehen sie sich aber auch phasenweise komplett alleine in eine Ecke zurück. Das
alleinige Spielen gestaltet sich auch schwierig, das es dem Kind schwerfällt,
sich sinnvoll zu beschäftigen, es lässt sich schnell ablenken und klagt häufig
über Langeweile. ADHS Kinder spielen sehr ausgelassen, aber wechseln sehr
schnell ihr Spiel. Sie haben ein herabgesetztes Gefahrenbewusstsein, was eine erhöhte
Beaufsichtigung erfordert.
Entwicklung von Kindern mit ADHS
In ihrer Entwicklung kann es zu
Verzögerungen kommen. So lernt das Kind manchmal später Laufen und ist in
seiner Selbstständigkeit verzögert. Es können auch Verhaltensauffälligkeiten
beim Essen auftreten. So gibt es Kinder, die ausgesprochen wählerisch sind,
während andere ungezügelt alles in sich „hinein stopfen“ und kein Sättigungsgefühl
wahrnehmen.
Im Kindesalter kommt es häufig noch zu
Begleiterkrankungen wie eine Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie,
Zwangshandlungen und ein erhöhtes Suchtpotenzial.
Kinder mit ADHS fallen meist durch
eine starke Unruhe und ein aggressives Verhalten auf. Durch ihr impulsives
Verhalten und ihre permanente Unruhe ecken sie häufig bei anderen an. Es fällt
ihnen schwer sich adäquat zu verhalten. Sie können ihre Problematik nicht klar
formulieren und viele Menschen empfinden Kinder mit ADHS als anstrengend und
sind durch sie schnell überfordert, da machen Erzieher und Eltern keine
Ausnahme. Dadurch erleben diese Kinder immer mehr Ablehnung, was letztendlich
zu einem aggressiven Verhalten auf Grund von Hilflosigkeit führt. In schlimmen
Fällen stehen diese Kinder durch Reizüberflutung so unter Strom, dass man sie
nur noch durch festhalten beruhigen kann.
Es wird davon ausgegangen das bis zu
10% der Kinder an ADHS leiden, allerdings meist nicht diagnostiziert.
Therapeutisches
Reiten
Das Therapeutische Reiten umfasst drei
Bereiche, die Hippotherapie, das Heilpädagogische Reiten und der
Behindertenreitsport. Ich werde hier nur den relevanten Bereich näher
erläutern. Vorab möchte ich klarstellen, dass immer Pferde mit einer speziellen
Ausbildung benötigt werden und auch die Umgebung, wie Rampen zum Aufsteigen,
rollstuhlgerechte Wege und so weiter, angepasst sein müssen.
Die Hippotherapie ist eine
physiotherapeutische Behandlungsmethode. Die Krankheitsbilder sind überwiegend
neurologisch und orthopädisch bedingt, wie Spastiken, Lähmungen und
Schwerstbehinderungen. Das Alter spielt dabei überhaupt keine Rolle. Die
Therapie ist ärztlich verordnet und wird durch diesen auch überwacht. Durchgeführt
wird die Therapie durch einen Physiotherapeuten mit Hippotherapie – Lizenz.
Der Behindertenreitsport wendet sich an Menschen mit
Körperbehinderung und/oder Sinnesbeeinträchtigungen. So ist es möglich ohne
Arme zu reiten oder auch blind. Es soll eine Möglichkeit zur sportlichen
Betätigung bieten und wird auch bis in den Leistungssport hinein betrieben.
Hierbei steht die Freizeitgestaltung im Vordergrund, nicht der therapeutische
Effekt. Es wird eine spezielle Ausbildung als Behindertenreitsportlehrer
benötigt.
Das Heilpädagogische Reiten bezieht sich auf pädagogische,
psychologische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des
Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen
Behinderungen und Störungen. Dabei steht nicht die reitsportliche Ausbildung,
sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund, das
heißt vor allem eine günstige Beeinflussung von Motorik, Wahrnehmung, Lernen,
Befinden und Verhalten.
"Ein besonderer Reiz des Reitens
liegt im Kontakt und Umgang mit dem Lebewesen Pferd, bei der Betreuung und
Pflege des Pferdes wird diese Beziehung erweitert und vertieft. Als
individuelles Lebewesen kann das Pferd zu einer echten "Bezugsperson"
werden; es reagiert und antwortet sehr fein auf Gesten und Ansprachen. So kann
sich eine ganz eigene, unbelastete Kommunikation aufbauen, über die auch der
Kontakt zum Menschen und zur Umwelt neu oder erneut gefunden werden kann. Das
wird im Heilpädagogischen Reiten als eine der speziellen erzieherischen
Möglichkeiten und Maßnahmen genutzt. Im vielgestaltigen sozialen Gefüge
Pferd-Reiter, Reitschule-Reitlehrer, Reiter-andere Reiter und Pferde ... bieten
sich neue Möglichkeiten zur sozialen Integration, zu gegenseitigem Verständnis
aus gemeinsamem Tun und Interesse." (Ch. Heipertz-Hengst, "Reitsport
für Behinderte", Lübeck 1980, S.19)
Für wen eignet sich
die Therapie?
Die Zielgruppe umfasst Menschen mit
den verschiedensten Behinderungen, Entwicklungsdefiziten,
Wahrnehmungsbeeinträchtigungen und / oder Verhaltensauffälligkeiten, zum
Beispiel:
- Lern- und geistige Behinderung
- Verhaltensauffälligkeiten, z.B. Ängste, Unsicherheit, Kontaktstörungen, mangelnde Selbstbehauptung, mangelndes Selbstvertrauen, Konzentrationsschwäche, übergroße Egozentrik, Aggressivität, mangelnde soziale Einordnung, Hyperaktivität
- Störungen in der Bewegung und Wahrnehmung aufgrund verschiedener Verursachungsmomente (minimale cerebrale Dysfunktion/mcD, psychoorganisches Syndrom/POS, sensorische Integrationsstörung)
- Autismus und autistische Verhaltensweisen
- neurotische und psychotische Erkrankungen
- Sprachstörungen und –behinderungen
- psychosomatische Erkrankungen
- angeborene oder erworbene Sinnes- und Wahrnehmungsbeeinträchtigungen
- Haltungsschwächen und –schäden
Die
Methodik beim Therapeutischen Reiten basiert auf Übungen zur sensorischen
Integration, sowie die gezielte Vermittlung von Normen, Werten und
Handlungskompetenzen (zum Beispiel Verantwortungsgefühl, Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen),
als auch auf dem sozialen Lernen gegenüber dem Partner Pferd und gegebenenfalls
den anderen Mitgliedern der Reitgruppe. Im Umgang mit dem Pferd oder beim
Reiten wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, emotional,
geistig und sozial. Durch den ganzheitlichen Charakter des Heilpädagogischen
Reitens und den hohen Aufforderungscharakter des Pferdes ist diese Therapieform
auch speziell bei therapieunwilligen oder -müden Menschen (neu) motivierend.
Zielsetzung
der Therapie
Die
individuelle Zielsetzung richtet sich immer nach dem Krankheitsbild oder der
Störung.
Im
sozialen Bereich soll die
Gruppenfähigkeit, die Kooperations-bereitschaft, der Umgang mit Aggressionen,
die Anhebung von Toleranzschwellen und das Erlernen von Verhaltensalternativen
angeregt und gefördert werden.
Im
sensomotorischen Bereich wird das
Gleichgewicht, die Raum-Lage-Orientierung, die Entwicklung von
Körperbewusstsein, die Verbesserung der Hand- Auge- und
Gesamtkörperkoordination und das allgemeine „Entkrampfen“ des Körpers und der
Seele gefördert. Es bezieht sich auf alle Wahrnehmungsbereiche (taktile,
vestibuläre, kinästhetische, auditive und visuelle) und spricht diese
ganzheitlich an.
Im
kognitiven Bereich wird die Sprache
und die Sprachbereitschaft, die Lern- und Leistungsbereitschaft, sowie der
Aufbau und die Verbesserung des Konzentrations- und Durchhaltevermögens
gefördert.
Das Medium Pferd
Die Therapie findet immer über das
Medium Pferd statt. Pferde sind Lebewesen mit Bedürfnissen und Grenzen. Sie
spiegeln den Menschen in einer faszinierenden Weise wieder. Ist der Patient
unruhig oder aggressiv, wird das Pferd diese Stimmung übernehmen. Das Pferd ist
nicht nachtragend und gibt dem Patienten immer wieder eine neue Chance. Es
strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus, die sich auf dem Menschen überträgt. Es
ist in seiner Körpersprache klar und leicht verständlich. Es signalisiert
deutlich, wenn ihm etwas nicht gefällt oder wenn ihm etwas gefällt. Es ändert
dabei nicht seine Meinung, was es einschätzbar und kontrollierbar macht. Ein
weiterer wichtiger Punkt ist die Größe des Pferdes. Vor allem Menschen mit
einem negativen Selbstwertgefühl sind immer wieder überrascht darüber, dass sie
ein so großes Tier „beherrschen“ können.
Die
Patienten lernen klare Ansagen zu machen, da das Pferd auf diese mit dem
gewünschten Verhalten reagieren, zum Beispiel Hufe geben. In diesem Falle lässt
das Pferd sich auf den Menschen ein und schenkt ihm Vertrauen, denn es steht
dabei ja auf nur drei Beinen, was seinem natürlichen Verhalten widerspricht.
Dadurch, dass das Pferd ein Lebewesen mit Bedürfnissen ist, übt der Therapeut
weniger Druck aus, als in anderen Therapieformen, denn nicht er will etwas,
sondern das Pferd benötigt etwas. Zum Beispiel muss das Pferd vor dem Reiten
geputzt werden. Nicht, weil der Therapeut das will, sondern weil es sonst dem
Pferd schaden würde.
Der nächste Punkt ist das „Getragen werden vom Pferd“. Wir sind es von unserer
Entwicklung her gewohnt, dass wird von unserer Mutter getragen werden. Wenn
Kinder auf den Arm genommen werden, entspannen sie sich und fühlen sich
geborgen. Dieser Effekt wird auch beim Heilpädagogischen Reiten ausgenutzt, das
Pferd spricht diese Erinnerungen an.
Dies funktioniert natürlich nicht mit
allen Pferden. Pferde, die als „Therapeuten“ arbeiten haben einen sehr ruhigen
und ausgeglichenen Charakter. Sie unterlaufen einer speziellen Ausbildung von
circa zwei Jahren. Das Tier ist an sich ein Flucht- und Herdentier. Für diese
Arbeit aber müssen sie absolut verlässlich und einschätzbar sein. Sie müssen
auf das kleinste Zeichen des Therapeuten hin reagieren, denn dieser kann die
Beziehung zwischen Pferd und Patient von außen beeinflussen. Wenn ein Patient
noch nicht klar in seinen Aussagen dem Pferd gegenüber ist, so kann der
Therapeut von außen unbemerkt trotzdem das gewünschte Verhalten herbeiführen.
Jedes
Pferd hat einen ganz eigenen Charakter, es gibt ruhige und sehr devote Pferde
und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch „zappelige“ Pferde mit einem
sehr stark ausgebildeten Charakter. Die Entscheidung, welches Pferd für welchen
Patienten geeignet ist, ist eine sehr wichtige Grundlage. Unsichere Patienten
werden eher die ruhigen Pferde bekommen, Patienten mit einer starken
Selbstüberschätzung werden eher mit charakterstarken Pferden konfrontiert.
Arbeiten als Reittherapeut
Um
als Reittherapeut im Heilpädagogischen Bereich arbeiten zu können benötigt man
eine soziale Grundausbildung, wie Sozialpädagoge, Erzieher, Heilpädagoge,
Psychologe oder auch Lehrer. Ebenfalls benötigt wird ein Trainerschein im
Reiten und eine Zusatzausbildung als Reittherapeut. Die Reittherapie ist eine
anerkannte Therapieform, die bisher allerdings wenig Unterstützung bei der
Krankenkasse findet.
Zurück zur
eigentlichen Fragestellung
„Eignet sich therapeutisches Reiten
als eine Therapie für Kinder im Elementarbereich mit der Erkrankung
ADHS?“
Im Bereich des Heilpädagogischen
Reitens wird besonderer Wert auf die Weiterentwicklung der sozialen Fähigkeiten
gelegt, diese fehlen Kindern mit ADHS häufig. Über das Medium Pferd lernen sie
spielerisch sich in Gruppen einzugliedern und sich den Wünschen des Pferdes
unterzuordnen, was ihnen im Allgemeinen schwerfällt. Sie bekommen immer wieder
eine Reflexion ihres Verhaltens. Auf ein bestimmtes Verhalten folgt immer dieselbe
Reaktion. Das Pferd ist im Gegensatz zu vielen Menschen nicht nachtragend, dass
heißt die Kinder erfahren keine Ablehnung, sondern werden immer wieder mit
„offenen Armen“ empfangen und akzeptiert.
Die Pflege eines Tieres setzt gewisse
Regeln und eine Regelmäßigkeit voraus. Dies erleichtert es dem Kind, sich in
der Situation zu Recht zu finden, da die Therapiestunde immer in dem gleichen
Schema abläuft. Das Kind kann sich Stück für Stück mehr Kompetenzbereiche
erarbeiten, wenn es sich dafür bereit fühlt. Es lernt ein Selbstvertrauen und
ein Selbstwertgefühl. Es schafft etwas und bekommt dafür eine positive
Resonanz. Es entsteht eine Vertrauensbasis zwischen dem Pferd und dem Kind. Das
Pferd folgt dem Kind, wenn dies es will, aber sollte es überfordert sein und
Teil der Verantwortung wieder abgeben wollen, kann es dies ohne Probleme tun.
Das Pferd fungiert als verlässlicher Partner, der das Kind nicht enttäuscht.
Das Kind muss neben dem Pferd
bestimmte Verhaltensweisen einhalten. So erschreckt sich das Pferd vor lautem
Geschrei und wildem herumrennen. Das Kind mag sein Partner Pferd und will ihm
keinen Schaden zufügen, somit versucht es schädigendes Verhalten zu
unterbinden. Durch die enge Begleitung der Therapeutin kann diese in
Überforderungssituationen eingreifen und dem Kind jederzeit die Möglichkeit zu
einer Pause bieten.
Das Kind kann immer selber
entscheiden, was es machen möchte. Fühlt es sich müde, kann es sich einfach nur
von dem Pferd tragen lassen, ist es unruhig, können viele Übungen auf dem Pferd
absolviert werden. Wenn das Kind dem Pferd aber einfach nur etwas Gutes tun
will, kann es dieses auch nur ausgiebig putzen und mit ihm spazieren gehen.
Für viele Kinder ist das keine
Therapie, sondern ein Hobby. Der Umgang mit dem Tier macht ihnen Spaß, sie
haben die Möglichkeit sich körperlich auszupowern, denn ein komplettes Pferd zu
putzen, kann ganz schön anstrengend sein. Die immer wiederkehrenden Strukturen
vereinfachen es dem Kind das Chaos in seinem Kopf besser zu kontrollieren. Es
wird stark darauf geachtet, dass das Kind nicht zu vielen Reizen ausgesetzt
ist. Es herrscht ein überschaubarer Betrieb auf dem Hof, es ist kein Lärm und
keine Hektik vorhanden. Die Farben der Natur wirken eher beruhigend als
aufputschend.
Natürlich ist Therapeutisches Reiten
nicht mehr als eine Therapie, trotzdem ist sie oftmals die letzte erfolgreiche
Möglichkeit für Patienten, denen andere Therapien bisher nicht geholfen haben.
Es ist mehr Spaß als Therapie. Allerdings ist eine Grundvoraussetzung das Akzeptieren
des Pferdes. Es dürfen keine Angst oder Ablehnung dem Pferd gegenüber
vorliegen. Eine große Pferdeliebe ist aber auch keine Voraussetzung. Die
Therapie bedarf einer Regelmäßigkeit, sowohl zeitlich wie auch Personen- und
Pferdegebunden. Sie baut auf Vertrauen und Regeln auf. Wie jede andere Therapie
kann diese auch zwei Jahre stattfinden und dann erst mal unterbrochen werden.
Ich persönlich bin überzeugt von dem
Nutzen des Therapeutischen Reitens. Pferde sind sehr sanftmütige, liebvolle
Wesen und haben ein ungemein gutes Gespür für die jeweilige Stimmung des
Patienten und stellen sich darauf ein. Auf der anderen Seite sind es aber keine
Gegenstände, sondern Lebewesen, die auch ihre ganz eigenen persönlichen „Macken“
haben.
Leider ist diese Form der Therapie
sehr teuer und wird von der Krankenkasse nur in seltenen Fällen übernommen, was
leider bedeutet, dass nicht jeder sie wahrnehmen kann.
Wichtig wäre noch zu erwähnen, dass
die Kinder ganzheitlich gefördert werden. Unabhängig ihrer Erkrankung werden
die Motorik, der Tonus, die Geschicklichkeit und die kognitive Entwicklung
stark gefördert.
Heipertz-Hengst, Reitsport für
Behinderte, Lübeck 1980
Neuhaus, Cordula: Das hyperaktive
Kind und seine Probleme, Urania-Ravensburger Verlag, 1999, 5. Auflage
M.Döpfner, G. Lehmkuhl & H.-C.
Steinhausen (2006): Kinder-Diagnostik-System (KIDS), Band 1:
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS). Göttingen:
Hohgrefe
Psychische Störungen in Kindheit und
Jugend – Symptome – Psychodynamik – Fallbeispiele – psychoanalytische Therapie. Kohlhammer Stuttgart 2004
Inge-Marga Pietrzak: Kinder mit
Pferden stark machen - Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren. Cadmos,
Lüneburg 2001
Marianne Gäng: Heilpädagogisches
Reiten und Voltigieren. Ernst Reinhardt, München 1994
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